Platonisches Gedankenexperiment oder sophistischer Gegensatz? Auf diese
Kernfrage reduziert sich das aktuelle Werk Doncho Donchevs.
In den Zeichnungen Doncho Donchevs wirkt alles Dargestellte zueinander
gleichwertig, unterschiedslos, ideologiefrei, wohl aber in der Vorstellung des
Betrachters quasi idealisiert. Sie sind die scharf gestellten Projektionsflächen
seiner mystisch-realen Gedanken- und Seelenwelt. Seine von kosmogonischen
Symbolen bestimmten Werke machen Ursprung und Ende, weltliche Kreisläufe und
Grundordnungen als Teil der kulturellen Identität vorstellbar, irritieren den
Betrachter gleichzeitig mit den unterlegten geometrisch-konstruktiven
Formenvokabular von Schnittmustern.
Beispielhaft spannt Doncho Donchev bei „Legend I # Legend II“, „Creation I #
Creation II“ und „Android“ den Bogen zwischen wissenschaftlicher Logik und
normativer Mystik. „Legend I # Legend II“ assoziieren vordergründig den Mythos
der den Naturgewalten trotzenden gehorsamen Stuten des Propheten, „Creation I #
Creation II“ den griechischen Schöpfungsmythos. Die jeweils unterlegten
Schnittmuster können einerseits als mythologische Transzendenz (vom Mythos zum
Logos) gedeutet werden, andererseits aber auch als Transformation eines rational
geprägten Weltbildes der Moderne zur Mystifikation, die darunter liegende
einfache, weil planbare „Wahrheit“ wird aus „verkehrten“ Bedingungen
verschleiert, verdunkelt, getäuscht und im schlimmsten Fall dämonisiert. Die
Interpretation, das Erkenntnisproblem zwingt der Künstler allein dem Betrachter
auf. Er verweigert dafür Erklärungen wie auch im Triptichon „Satyr“, einem
kritischen Beitrag zum extremen Überschwang der technischen Gesellschaft
(Sexismus, Konsumwahn).
Andere Werke, wie z.B. „Apple I-III“, oder die Bilderfolge „Leaf I-VIII“
beschreiben die Vergänglichkeit und den Umgang mit dem Tod und der eigenen
Sterblichkeit in endlose Schleifen im Sinne Nietzsches „Ewiger Wiederkunft des
Gleichen“. Die einfache Symbol- und Bildersprache verweigert sich den heutigen
mythologischen Großentwürfen durch das Fehlen derer Protagonisten und führt
subtil durch die Sinn- und Lebenskrisen der „conditio humana“. Dem Betrachter
öffnet der Künstler auch hier den notwendigen Freiraum, sich dem Wesen und Sinn
menschlicher Existenz aus unterschiedlichen Blickwinkeln selbständig nähern zu
müssen.
In „Apples of the Hesperides” greift der Künstler den Farbklanggegensatz „Rot-
Grün“ auf und assoziiert diesen in den Gegensätzen: Mann#Frau, Technik#Mensch,
mit kritischem Blick auf den unsere Welt beherrschenden „Mythos der Vernunft“,
welcher in der zentralen nicht auflösbaren Ikonographie des Apfels
„Erkenntnis/Erlösung # Streit/Zwietracht“ kumuliert. Monochrom sprengen die
versteckten Hesperiden das Tryptichon und trotzen dem Postulat der Vernunft.
[Die monochromen Werke in Öl/Leinwand in „Apples of the Hesperides“ sind aktuelle Entwürfe für ein
holistisches, synästethisches1 Farbe-Ton-Projekt des Künstlers. Der Entwicklungsstand kann anhand von Skizzen und Plänen ggf. separat dargestellt werden].
Doncho Donchevs Arbeiten sind keine adaptierbaren Erkenntisformeln oder
Lehrstücke menschlichen Seins sondern Sprungbrett zur kritischen Selbstfindung
des sie Betrachtenden in komplexem gesellschaftlichen Umfeld.
1Farbe-Ton-Analogien - von Aristoteles entwickelt, von Leonardo da Vinci und Cardano aufgegriffen, dienten auch namhaften Künstlern und Musikern der Moderne als Inspirationsquelle(Wassily Kandinsky,
Alexander Skrjabin, Olivier Messiaen, Jimi Hendrix, David Hockney). Diastematische Notenschrift mit farbigen Linien und Darstellung der Tonhöhen in rot, gelb und grün existierten bis ins frühe Mittelalter.